Ich glaube, ich habe eine Blockade in meinem Rücken!

Ich denke, ich muss mal eingerenkt werden!

Mein Physio muss es nur mal knacksen lassen, dann geht es mir wieder besser!


Diese und ähnliche Sätze hören wir Therapeuten oft in unserer alltäglichen Praxis. Doch was steckt dahinter? Sind mechanische Hindernisse tatsächlich die Ursache für Bewegungseinschränkungen und Schmerzen? Kann das „Einrenken“ von Gelenken wirklich langfristig Schmerzen lindern?

In der Manuellen Therapie (=Behandlung mit der Hand) werden Gelenkblockaden als unvollständige Ausrenkungen bezeichnet (1). Die beiden Gelenkspartner stehen hierbei aber noch in Kontakt. Durch gezielte Manipulation (=schnelle Bewegungsimpulse am Bewegungsende) oder sanfte Mobilisation sollen so Schmerzen gelindert werden und die Beweglichkeit wieder vergrößert werden. (2)

Neuere Forschungen postulieren, dass die Manuelle Therapie mehr eine „sensible“ Wirkung, als eine mechanische Wirkung besitzt. Schmerzen reduzieren sich kurzfristig u.a. durch eine Aktivierung des autonomen Nervensystems und schmerzhemmenden Mechanismen auf Rückenmarksebene. (3) Das „Knackgeräusch“, das bei vielen manualtherapeutischen Behandlungen auftritt, ist auf die Entstehung eines Unterdrucks im Gelenksspalt zurückzuführen. Dieser Unterdruck entsteht durch das schnelle Entfernen der Gelenksflächen (v.a. bei Manipulationen). Am Ende der Manipulation steigt der Gelenkdruck wieder an und das Gas wird in die Gelenksflüssigkeit mit einem „Klick/Knackgeräusch“ zurückgedrückt, ohne zu platzen. (4) 

Das Knackgeräusch ist also nicht auf das „Korrigieren“ der Gelenksposition zurückzuführen, sondern ein natürlicher und völlig harmloser Mechanismus des menschlichen Körpers. Langfristige Folgen über das bewusste Knacken, wie z.B. beim Fingerknacken, sind noch nicht ausreichend untersucht und sollten daher vermieden werden.(5)

Viele Studien über die Wirksamkeit der Manuellen Therapie und damit passiven Mobilisationen (= vom Therapeuten durchgeführt) weisen eine schlechte Studienqualität auf. Zusammenfassend kann man aber sagen, dass die aktuelle Studienlage der Manuellen Therapie nur einen kurzfristigen Nutzen zuspricht. Hier ist aber noch Forschungsarbeit nötig, um die Effektivität von manuellen Behandlungsmethoden genauer zu untersuchen. 

Fazit:

  • Sehen Sie die Manuelle Therapie als eine mögliche (noch nicht nachgewiesene, aber auch nicht vollständig widerlegte) Ergänzung zu einer aktiven und ganzheitlichen Behandlung. Eine alleinige Behandlung mit manualtherapeutischen Methoden kann laut aktueller Studienlage nicht zu langfristiger, sondern höchstens zu einer kurzfristigen Schmerzlinderung führen.


  • Seien Sie sich bewusst, dass Mobilisationen und Manipulationen über mechanische Wirkweisen hinauswirken. Auch sollten Sie wissen, dass mögliche Gefahren (z.B. Verletzungen) durch Manipulationen nicht auszuschließen sind. Fakt ist auch, dass Gelenkblockaden noch nicht wissenschaftlich nachgewiesen sind.


  • Seien Sie skeptisch vor Therapeuten, die Sie nur „Einrenken“ wollen. Es gibt weitaus effektivere, nachhaltigere und sichere Methoden, Schmerzen zu reduzieren (z.B. aktive Bewegungstherapie oder Vermeidung von Lebensstilfehlern).


Literaturverzeichnis:

(1)Wellens, F. (2010) “The traditional mechanistic paradigm in the teaching and practice of manual therapy: Time for a reality check.” Clinique Physio Axis  

(2)Friedel T. (2009). Manipulation in der Physiotherapie – Behandeln mit Impuls.
physiopraxis; 7 (6): S. 26-29

(3)Saueressig T. Manuelle Therapie – Quo vadis? (2018). Zugriff unter https://evidenzbasiertephysiotherapie.de/manuelle-therapie-quo-vadis/ am 09.07.2020

(4)Kawchuk et al. (PLOS One. 2015) Real-Time Visualization of Joint Cavitation

(5)Oberhofer E.(2017) Kalifornische Studie- Ist Fingerknacken schädlich? Nein, zumindestens nicht kurzfristig (Zugriff unter https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Ist-Fingerknacken-schaedlich-Nein-zumindest-nicht-kurzfristig-296813.html am 03.08.2020)


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