Anatomischer Hintergrund:
Wir blicken in der oberen Abbildung in die Kniekehle des rechten Kniegelenks. Der Oberschenkelknochen (1), das Schienbein (2) und Wadenbein (3) bilden das knöcherne Grundgerüst. In der Anatomie unterscheiden wir grundsätzlich zwischen einem vorderen (blau) und hinteren (grün) Kreuzband. Diese beiden Bänder sorgen für Stabilität in der Bewegung. Das vordere Kreuzband hemmt Gleitbewegungen des Unterschenkels nach vorne. Das weitaus weniger betroffene hintere Kreuzband schränkt die Gleitbewegung des Schienbeins nach hinten ein. Beide Bänder limitieren die Streck- und Drehbewegungen des Kniegelenks. Häufig tritt eine Kreuzbandverletzung mit einer Schädigung des Meniskus (4) auf und in einigen Fällen wird das Innenband (5) auch in Mitleidenschaft gezogen.
Physiotherapie oder Operation?
Bei einer operativen Versorgung wird körpereigenes Material als Bandersatz genommen und im Kniegelenk fixiert. Das Ersatzmaterial wird hierbei häufig aus der Sehne des hinteren Oberschenkelmuskels oder der Kniescheibensehne entnommen. Durch eine Gelenksspiegelung wird zuerst die Diagnose "Riss des vorderen Kreuzbandes" bestätigt. Dann wird durch verschiedene Bohrkanäle die Kreuzbandplastik im Kniegelenk möglichst der natürlichen Anatomie entsprechend eingesetzt.
Doch ist eine Operation immer nötig?
Studien belegen, dass auch das vordere Kreuzband die Fähigkeit besitzt, sich selbst heilen zu können. In der äußersten Schicht des Kreuzbandes befinden sich Zellen, die neues Bandmaterial herstellen können. Unterstützt werden diese Zellen durch sogenannte neurovaskuläre Units, die Durchblutung und Regeneration gewährleisten. Besonders Patienten mit einem oberschenkelnahen Riss, sowie einer guten Faserkontinuität, werden sehr gute Heilungschancen mit einer konservativen Therapie zugeschrieben (3). Operiert werden sollte nach aktuellen Leitlinien nur bei massivem Instabilitätsgefühl, einhergehend mit schwerwiegenden Begleitverletzungen, wenn durch physiotherapeutische Behandlung wenig oder keine Aussicht auf Schmerzlinderung bzw. - beseitigung besteht (2).
Vorderer Kreuzbandriss und Arthroserisiko?
Operiert man das vordere Kreuzband nicht, so erhöht sich das Risiko einer Arthrose. Dieses lange Zeit bestehende Paradigma ist laut einer systematischen Übersichtsarbeit kritisch anzusehen. Die Autoren gehen hierbei davon aus, dass es keinen Unterschied zwischen dem Arthroserisiko und der Versorgungsart (Operation/Physiotherapie) gibt. Jedoch wird ein allgemein höheres Auftreten von Arthrose mit einem Kreuzbandriss in Verbindung gebracht. In dem Artikel wird jedoch auch darauf hingewiesen, dass in diese Richtung noch dringend Forschungsarbeit nötig sei (1).
Wie sieht die physiotherapeutische Behandlung?
Literaturverzeichnis:
(1)PMR NET. 2020. Folgen einer vorderen Kreuzbandruptur. Zugriff unter https://pmr-net.de/wp-content/uploads/2015/10/PMRnet_Review_FolgenEinerVorderenKreuzbandverletzung.pdf am 02.09.2020
(2)Herbort M. & Lobenhoffer P. (Leitlinien Unfallchirurgie © DGU Leitlinien Kommission Berlin).2018. DGU-Leitlinie 012-005 Vordere Kreuzbandruptur. AWMF- Nr. 012-005. Zugriff unter https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/012-005l_S1_Vordere_Kreuzbandruptur_2019-02.pdf am 02.09.2020
(3)Physiomeetscience. 2020. Intrinsische Heilung des vorderen kreuzbandes Geht das?. Zugriff unter https://physiomeetsscience.com/intrinsische-heilung-des-vorderen-kreuzbandes-geht-das/ am 02.09.2020