Was ist eine Ischialgie?
Im Volksmund wird dieses Beschwerdebild auch gerne mit „Ischiasbeschwerden“ bezeichnet. Mediziner beschreiben die Ischialgie als ausstrahlende Beinschmerzen. Diese entstehen aufgrund von entzündlichen Prozessen oder einer Kompression der Nervenwurzeln, die den Ischiasnerv (=N. ischiadicus) bilden. (1) Eine Nervenwurzel stellt die Verbindung vom Rückenmark bis zu der Nervenaustrittsstelle an der Wirbelsäule dar (s. Bilder oben). Am häufigsten sind altersbedingte Bandscheibenvorfälle die Ursache für Schmerzen und Missempfindungen in den Beinen. Jedoch bilden sich diese Bandscheibenvorfälle oft spontan zurück. Sehr selten können auch Tumore oder Zysten den Druck auf die Nervenwurzel erhöhen. (2)
Diagnostik
Die Diagnose Ischialgie wird in der Regel anamnestisch gestellt. Um den Verdacht auf eine Beteiligung des Ischiasnervs zu erhärten, können körperliche Tests durchgeführt werden. Zudem ist es nötig, Muskelkraft, Hautempfindlichkeit, sowie Reflexe zu testen, um starke neurologische Defizite zu erkennen. Halten die Beschwerden über 12 Wochen an oder steigern sich in einem erheblichen Maß, ist eine Bildgebung (wie z.B. MRT/CT) angebracht. (3)
Therapie
Die erste Wahl der Behandlung ist ein konservatives Management (= keine OP). Bleiben Sie aktiv und führen Sie, wenn nötig eine spezielle Bewegungstherapie mit Ihrem Therapeuten durch! Vermeiden Sie Bettruhe! Es ist in erster Linie aber nicht wichtig, spezifische Übungen (z.B. Stabilisierung- oder Kräftigungsübungen) durchzuführen, sondern sich auch bei akuten Beschwerden allgemein ausreichend zu bewegen.
Medikamentöse Behandlung sollte auch bei starken Schmerzen nur mit Bedacht eingesetzt werden. Eine Studie fand heraus, dass verschiedene Arten von Medikamenten den Schmerz nicht wesentlich wirksamer reduzieren konnten, als Placebo - Medikamente (= Arzneimittel ohne Wirkung). (4) Kortison kann die Symptome kurzfristig verbessern, sollte aber nicht als Dauerlösung fungieren, da diese Therapie mit Nebenwirkungen einhergeht. (5)
Eine operative Behandlungsmethode sollte nur in Betracht gezogen werden, wenn durch konservative Maßnahmen keine Besserung eintritt oder die Beschwerden fortbestehen. Auch ist bei einer chirurgischen Behandlung keine erheblich schnellere Beschwerdelinderung zu erwarten, als bei einer konservativen Behandlung. Es sollte also genau abgewägt werden, ob eine Operation wirklich zielführend sein kann. (4) Bei starken neurologischen Symptomen, wie z.B. Muskelschwäche oder anderen inneren Symptomen, wie Harn- oder Darminkontinenz, die in Zusammenhang mit Erkrankungen des Rückens stehen, ist eine Operation oft unumgänglich, um langfristige Schäden zu vermeiden.
Wichtig zu wissen ist, dass sich Schmerzen verlagern können. Verschieben sich die Schmerzen dabei Richtung Körpermitte, also vom Fuß Richtung Rücken, deuten Mediziner dies als eine Verbesserung der Symptomatik. Ziel einer jeden physiotherapeutischen Behandlung ist es, den Schmerz Richtung Rücken zu zentralisieren. Die genauen Mechanismen, die hinter diesem Zentralisationsphänomen stecken, sind weitgehend unbekannt, stehen aber in einem Zusammenhang mit Schmerz- und Funktionsverbesserung. (6)
Identifizieren Sie mit Hilfe Ihres Therapeuten Bewegungen, die ausstrahlende Schmerzen in die Beine provozieren. Allein durch entsprechend darauf abgestimmte Übungen kann schon eine wesentliche Schmerzreduzierung erfolgen!
Literaturverzeichnis:
(1) Jensen Rikke K, Kongsted Alice, Kjaer Per, KoesBart. Diagnosis and treatmentofsciatica BMJ 2019;367:l6273.
(2) Ailianou A, Fitsiori A, Syrogiannopoulou A, Toso S, Viallon M, Merlini L, Beaulieu JY, Vargas MI. Review of the principal extra spinal pathologies causing sciatica and new MRI approaches. Br J Radiol. 2012 Jun;85(1014):672-81. doi: 10.1259/bjr/84443179 . Epub 2012 Feb 28. PMID: 22374280 ; PMCID: PMC3474092.
(3) Qaseem A, Wilt TJ, McLean RM, Forciea MA; Clinical Guidelines Committee of the American College of Physicians. Noninvasive Treatments for Acute, Subacute, and Chronic Low Back Pain: A Clinical Practice Guideline From the American College of Physicians. Ann Intern Med. 2017 Apr 4;166(7):514-530. doi: 10.7326/M16-2367 . Epub 2017 Feb 14. PMID: 28192789
(4) Raymond WJG Ostelo, Physiotherapy management of sciatica, Journal of Physiotherapy, Volume 66, Issue 2, 2020, Pages 83-88, ISSN 1836-9553, https://doi.org/10.1016/j.jphys.2020.03.005. (http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1836955320300229) Keywords: Physical therapy; Low back pain; Sciatica; Radiculopathy
(5) Pinto RZ, Maher CG, Ferreira LM, Hancock M., Oliveira VC, McLachlan AJ, Koes B., Ferreira PH. Epidural Corticosteroid Injections in the Management of Sciatica. ACP Journals. 2012 https://doi.org/10.7326/0003-4819-157-12-201212180-00564
(6) Beyerlein C. Das „Zentralisations-Phänomen“ – seine Nützlichkeit als prognostisches Kriterium bei Diagnose und Behandlung unspezifischer Kreuzschmerzen. 2002. Manuelle Therapie 6. S. 227-233